Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.
Direkt zum Inhalt

Denkmalgerechter Schallschutz in der alten Ofenfabrik

Für die Sanierung eines Baudenkmals braucht es Ideen, Mut und Engagement. Auch für die Gründung eines Unternehmens sind das damals wie heute die Grundvoraussetzungen. So auch im Jahr 1864, als die Gebrüder Waas ihr Unternehmen in Geisenheim am Rhein gründeten, dies mit der Idee Apparate für die Obst- und Gemüseverwertung herzustellen. Gemeinsam mit der königlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau wurden zwei neuartige Dörrverfahren zur Konservierung von Lebensmitteln entwickelt. Die daraus entstandenen Dörröfen wurden in der Geisenheimer Fabrik gefertigt und fanden regen Absatz im In- und Ausland. Doch genau 100 Jahre nach Unternehmensgründung brach die Nachfrage ein und die Produktion wurde eingestellt: Der Kühlschrank eroberte die Haushalte und machte Dörröfen schlicht überflüssig.

Andrea Nusser wird neue Eigentümerin der alten Ofenfabrik

Was blieb, waren das Fabrikgebäude und die angrenzende Fabrikantenvilla, in der sich drei Dekaden später 1995 die Innenarchitektin und Lichtdesignerin Andrea Nusser vier Eigentumswohnungen kaufte. Kaum war die eigene Wohnung bezogen, stellte sich heraus, dass die Zusagen, die der vorherige Eigentümer beim Verkauf der Wohnungen gemacht hatte, zum Teil nicht eingehalten wurden. Was folgte, war ein jahrelanger Rechtsstreit, währenddessen sie Interesse am Kauf der Fabrik bekundete. Die von ihr bestrittenen zu viel gezahlten Summen wurden am Kaufpreis abgezogen.

In den vierzig Jahren nach Produktionsstillstand wurde das Gebäude nur notdürftig instand gehalten. Es waren nach dem Krieg für mehrere Not-Wohnungen vermietet. Was noch vermietbar war, wurde vermietet, sodass die Einnahmen gerade so die Kosten deckten. Andrea Nusser half schon ab ihrem Kauf der Villenwohnungen und deren Sanierung bei der Vermietung und weiß viele Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen. So wie die eine über drei Obdachlose, die es sich über längere Zeit unbemerkt in einem ungenutzten Winkel im Dachgeschoss bequem gemacht hatten.

Rettung dank grundlegender Sanierung

Als direkte Nachbarin zur alten Ofenfabrik und Hauptinvestorin der Waas.schen Villa kam es ihr damals sehr entgegen mitzuentscheiden, was mit dem Gebäude in Zukunft geschehen sollte und so kaufte sie letzten Endes das Gebäude. Doch weder der bereits für den Vorbesitzer genehmigte Abriss noch ein „Weiter so“ kamen für sie in Betracht. Nach 7 Jahren Vermietung an ca. 22 Mieter für Lager, Autoschrauber und Bands entschied sich Andrea Nusser für eine grundlegende Sanierung und zog ihren guten Bekannten und Zimmermeister Axel Hachenberger zurate. Dieser sagt heute: „Im damaligen Zustand hätte jeder Investor das Gebäude als unsanierbar eingestuft. Nur jemand wie Frau Nusser, die mit Herzblut so ein Projekt angeht, konnte die alte Fabrik noch retten.“

Ein neues Glasdach mit passendem Lichtkonzept

Gemeinsam mit Axel Hachenberger wurde ein erstes Sanierungskonzept erstellt. Dieses legte sie der Unteren Denkmalschutzbehörde vor und nach Klärung einiger Detailfragen wurde es genehmigt. Auch die Finanzierung war geklärt und so hieß es: Die Sanierung kann beginnen.

Mit das erste Gewerk, das im Zuge der Sanierung angegangen wurde, war die Bedachung des Atriums im ehemaligen Verwaltungs- und Ausstellungsbereich der Fa. Waas. Schon beim Bau der Fabrik hatte man die Absicht, das Atrium mit natürlichem Tageslicht zu beleuchten. Beleg dafür ist die bauzeitliche Deckung mit Glasziegeln, die heute kaum noch zu beschaffen sind. Auch das darunter liegende Eisengitter, in dessen Zwischenräumen einmal Drahtglas lag, lässt vermuten, dass eine natürliche Beleuchtung angestrebt wurde. Für Andrea Nusser kam nur in Frage, hier wieder Glas auf dem Dachelement zu verwenden und so setzte sie mithilfe der Fa. Hachenberger dem alten Fabrikgebäude ein zeitgemäßes, direkt RGBW-beleuchtetes Glasdach auf. Der große Vorteil: Dank der Isolierverglasung lässt sich der darunterliegende Raum mit der beachtlichen Deckenhöhe von 11,11 Metern nun mit Deckenstrahlplatten energieeffizient beheizen.

Bauzeitlicher Fensterbestand im Treppenhaus

Da das Heizungssystem mit Wärmestrahlung auch in nahezu allen anderen Räumen der Fabrik Einzug finden sollte, mussten natürlich auch die Fenster auf den Prüfstand. "Die wenigen noch vorhandenen bauzeitlichen Fenster waren aufgrund der Untätigkeit der Vorbesitzer in einem desolaten Zustand. Eine wärme- und schalldämmende Optimierung war auch aufgrund der geringen Laibungstiefe nicht möglich", sagt Axel Hachenberger. "Die bauzeitlichen Treppenhausfenster verlangte das Denkmalamt zu erhalten. Was uns auch gelang.", ergänzt Andrea Nusser stolz. Auch diese zwei historischen Treppenhäuser repräsentieren mittlerweile das sanierte Kulturdenkmal.

Schallschutzfenster gegen zunehmenden Bahnlärm

Dass der Schallschutz bei der Sanierung der Waas.schen-Fabrik eine sehr große Rolle spielte, liegt an ihrer Lage. Sie grenzt unmittelbar an Europas meistbefahrene Güterzugstrecke, auf der täglich bis zu 600 Züge unterwegs sind. Nusser selbst engagiert sich seit Jahren beim Verein "Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn", der sich vornehmlich für weniger Lärm in der dicht bebauten Mittelrheinregion einsetzt und dank gutem Netzwerk schon einiges in Sachen Lärmreduzierung erreichen konnte.

Auf der Suche nach denkmalgerechten Fenstern?

Wir vermitteln Sie kostenfrei an Fachbetriebe in Ihrer Umgebung.

Wer heute die einzigartigen und elegant eingerichteten Büroräume in der Waas.schen-Fabrik betritt, der nimmt die vorbeifahrenden Züge kaum wahr. Der Grund: denkmalgerechte Schallschutzfenster der Klasse 4, die bis zu 44 dB an Schalldruck dämmen. Ein Güterzug mit modernem Bremssystem kommt auf etwa 80 Dezibel. Bleiben noch 36 Dezibel, die das Fenster durchlässt. Das entspricht einem leisen Flüstern oder einer ruhigen Wohnstraße bei Nacht. Die ideale Lautstärke also für kreativ arbeitende Menschen.

Erste Nutzung als beliebte Event-Location

Aber auch im Innern der Waas.schen-Fabrik wurde es nach der abgeschlossenen Sanierung des öfteren laut. Nach der gut besuchten Einweihungsparty hat Andrea Nusser befreundete Musiker angesprochen, ob sie interessiert wären, dort eine Afterwork Jamsession zu veranstalten sowie KünstlerInnen, um die Räumlichkeiten für ihre Ausstellungen zu nutzen. Die Anfragen nahmen zu und so wurde aus der ehemaligen Ofenfabrik eine der beliebtesten Eventlocations im Rheingau. "Über 100 Veranstaltungen im Jahr haben wir hier stattfinden lassen. Das war eine sehr schöne, aber mit teils bis zu 120 Arbeitsstunden die Woche inkl. der Stunden für die eigenen Firmen auch eine sehr, sehr anstrengende Zeit."

Auf der Suche nach einem neuen Nutzungskonzept

Noch bevor das Corona-Virus Veranstaltungen vorübergehend den Garaus machte, entschied sich die Eigentümerin Ende Januar 2019 für eine neue Nutzung des Fabrikgebäudes. Genau zu diesem Zeitpunkt war eine Initiative aus der Stadt Geisenheim, der ortsansässigen Hochschule, der EBS und der Rheingauer Volksbank drauf und dran, ein Gründerzentrum für junge Unternehmen mit Mitteln des Bundesförderprogramms "Exist" aufzubauen. Auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten kreuzten sich die Wege mit Andrea Nusser und das neue Nutzungskonzept für die Waas.sche-Fabrik war gefunden.

In der Ofenfabrik entsteht eine Gründerfabrik

Fünf Räume mitsamt der zweistöckigen Fläche des Atriums hat die Gründerfabrik Rheingau angemietet, um junge Rheingauer Unternehmen zu fördern. Mit dabei sind kreative Startups wie der erste Campingplatz in Fässern Rheingau 524 oder der Anbieter von interaktiven Weinwanderungen Walk like a local. Allesamt Unternehmen mit Gründern aus der Region, denen es genau wie Andrea Nusser an Ideen, Mut und Engagement bei Weitem nicht mangelt.

Auf der Suche nach denkmalgerechten Fenstern?

Wir vermitteln Sie kostenfrei an Fachbetriebe in Ihrer Umgebung.

Über den Autor
Oliver Koch-Kinne

Oliver Koch-Kinne

War nach seinem Studium zum Betriebswirt (VWA) im On- und Offline-Marketing verschiedener Industrieunternehmen tätig. Ist seit 2019 Leiter des Online-Marketing-Teams bei PaX und lebt selbst in einem über 300 Jahre alten Baudenkmal. Kein Wunder, dass ihn das Thema nicht loslässt.