Was ist die Ansichtsbreite eines Fensters?
Unter "Ansichtsbreiten" versteht man die sichtbaren Bereiche der das Erscheinungsbild des Fensters prägenden Bauteile im geschlossenen Zustand. Bei einem einflügeligen Fenster ohne Teilung sind das Flügel- und Blendrahmen im Lichten sowie der untere Abschluss. Bei einem mehrteiligen Fenster können noch Stulp oder Setzholz sowie der Kämpferbereich und, wenn vorhanden, die Sprossen dazu kommen.
Im Idealfall versucht man, sich den historischen Vorlagen bzw. Gegebenheiten anzupassen. Sind noch bauzeitliche, für die Geschichte des Gebäudes bedeutende Fenster vorhanden, sollte man sich in Bezug auf vorhandene Zierelemente und auch der Ansichtsbreiten daran orientieren. Das erleichtert den Genehmigungsprozess beim Denkmalamt und wertet das Gebäude nicht ab.
Was sind schmale Ansichtsbreiten?
Von schmalen Ansichtsbreiten spricht man in der Regel, wenn diese deutlich geringer sind als es üblicherweise bei Standardfenstern der Fall ist. Dabei ist nicht unbedingt die Bauteiltiefe relevant. Ein Isolierglasfenster mit nur 58mm Bauteiltiefe kann unter Umständen gleiche Ansichtsbreiten haben
wie ein Isolierglasfenster mit 78mm Bauteiltiefe.
Warum sind schmale Ansichtsbreiten bei Fenstern in der Denkmalpflege so wichtig?
Im Zuge der ersten Wärmeschutzverordnung Ende der 1970er Jahre wurden zahlreiche historische, einfachverglaste Fenster aufgegeben und gegen neue Isolierglasfenster getauscht (Anmerkung: manche Denkmalpfleger behaupten sogar, dass die erste Wärmeschutzverordnung mehr historische Fenster
auf dem Gewissen hat als beide Weltkriege zusammen). Zu dieser Zeit ging es in erster Linie darum, Energie einzusparen und nicht einen möglichst genauen Nachbau mit besseren Dämmeigenschaften zu erreichen. Etwa bis in die 1990er Jahre wurden daher breite Standardprofile, oft noch mit Regenschutzschienen, in Denkmäler eingesetzt. Dadurch kam es teilweise zu erheblichen Verunstaltungen historischer Gebäude.
Vor allem in Fachwerkgebäuden mit kleinformatigen Fensteröffnungen boten sich teilweise groteske Bilder. Anfang der 1990er kam es zum längst überfälligen Dialog zwischen Denkmalpflegern, Kunsthistorikern, Architekten und Fensterbauern. Erste Lösungen jenseits des Standards brachten bessere Ergebnisse,
in den Jahren kamen mehr Möglichkeiten hinzu. Heute ist es bei der Rekonstruktion meist kein Problem mehr, auf die ästhetischen und handwerklichen Qualitäten historischer Fenster einzugehen. Dies auch in Verbindung mit denkmalgerechter Wärmedämmung, hohem Schallschutz oder sogar zertifizierter
Einbruchhemmung.
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Gutes Beispiel für ein rekonstruiertes Fenster
Das mittlere Isolierglasfenster fügt sich unauffällig zwischen die beiden historischen, einfachverglasten Fenster ein. Die Ansichtsbreiten konnten ohne großen Aufwand weitgehend eingehalten werden. Dass es sich um ein neues Element handelt, fällt bei genauerer Betrachtung im Vergleich zu den alten Fenstern lediglich bei der Oberfläche und der Verglasungsqualität auf. Bei höherem Anspruch wäre auch noch ein handwerklicher Pinselstrich sowie eine authentische Fourcaultverglasung möglich.
Ansichtsbreite hat signifikanten Einfluss auf Lichteinfall
Schmale Ansichtsbreiten können gerade bei kleinformatigen Fensteröffnungen einen signifikanten Gewinn an lichter Glasfläche, also Helligkeit und damit Lebensqualität bedeuten. Die Fensteröffnungen in dem Beispielbild betragen etwa 70cm x 120cm. Hier wurden sehr schmale Profile verwendet, um einen möglichst hohen Anteil an lichter Fläche zu erreichen. Wenn diese Fenster mit einem Standard-Holzfensterprofil (68 x 70mm) ausgeführt worden wären, müssten die Bewohner mit einem Verlust von 25% Glasfläche leben.
Um das Verhältnis bzw. die Bedeutung von Ansichtsbreiten besser einschätzen zu können, steht im Internet unter https://www.pax.de/glasflaechenrechner ein Glasflächenrechner zur Verfügung. Das Fenster im oben abgebildeten Fachwerkgebäude würde demnach unter Verwendung eines IV68-Profils mit echtem Wetterschenkel ca. 25 % weniger Glasanteil aufweisen, als ein Fenster mit reduzierten Flügel- und Blendrahmenbreiten. Vereinzelt werden noch immer - auch in der Denkmalpflege - Fenster mit Regenschutzschienen angeboten. Hier wäre der Verlust an lichter Glasfläche über 30 %.

Ivo-Andreas Piotrowicz
Studium FH für Technik, Akademie des Handwerks Schloß Raesfeld: staatlich geprüfter Techniker für Baudenkmalpflege und Altbauerhaltung. Seit 1994 Produkt- und Projektmanager für PaXclassic GmbH. Organisation von Fachtagungen „Fenster im Baudenkmal“, Redaktion für die gleichnamige Buchreihe und Online-Fachportal „Fenster im Baudenkmal“. Bundesweite Beratungstätigkeit für Denkmalämter, Bauherren und Architekten.
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