Egal ob energieeffizienter Neubau oder historisches Fachwerkhaus, wer sich in Deutschlands Städten und Dörfern umschaut, entdeckt an vielen Fassaden Fenster aus Kunststoff. Schlagkräftige Argumente wie eine leichte Pflege, eine lange Lebensdauer und die geringen Anschaffungskosten sind der Grund für die weite Verbreitung dieser Fensterart.
Daher ist es wenig verwunderlich, dass auch bei der Sanierung von Gebäuden unter Denkmalschutz oft die Frage aufkommt, ob Kunststoff-Fenster zum Einsatz kommen können.
Geringer optischer Unterschied zum Holz-Fenster
Neuentwicklungen bei Holzdekorfolien machen es möglich, dass Kunststoff-Fenster von Laien aus der Ferne von echten Holz-Fenstern kaum noch zu unterscheiden sind. Die neuen Folien sind hochwetterfest und untrennbar mit dem Kunststoffprofil des Fensters verbunden. Das macht die PVC-Bestseller äußerst widerstandsfähig und für manchen Endverbraucher zur Alternative für Holz-Fenster.
Aber ist die neue Robustheit und die holzähnliche Optik von Kunststoff-Fenstern Argument genug für den Einsatz in Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen?
Historische Holz-Fenster erhalten
Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Vorgehensweise der Denkmalschutzbehörden. Bevor über den Austausch der Fenster entschieden wird, prüfen die zuständigen Mitarbeiter, ob es sich bei den vorhandenen Elementen um historisch wertvolle Bauteile handelt und ob diese erhalten werden müssen bzw. können.
Ist das der Fall, wird geprüft, ob eine Restaurierung bzw. Ertüchtigung technisch und wirtschaftlich vertretbar möglich ist.
Handelt es sich nicht um Fenster mit historischem Ursprung und entsprechendem Denkmalwert, wird anhand von alten Bildern oder Zeichnungen geprüft, wie die ersten oder frühere Fenster des Hauses einmal ausgesehen haben. Daraufhin werden Anforderungen definiert, wie die neuen Fenster auszuführen sind.
Wir vermitteln Sie kostenfrei an Fachbetriebe in Ihrer Umgebung.
Kunststoff versus Holz: Wie entscheiden Denkmalpfleger?
Im Arbeitsheft "Fenster im Baudenkmal" herausgegeben von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VDL) werden Fenster in denkmalgeschützten Häusern als „wesentliche Funktionselemente“, die „eine umfassende architektonische Wirkung für die Fassade entfalten“ definiert. Aus diesen Zeilen lässt sich herauslesen, welche Bedeutung Fenster im Denkmalschutz haben.
Wenig überraschend wird im Kapitel "Materialgerechtigkeit" klar formuliert, dass "Kunststoff-Fenster kein Ersatz für den Erhalt denkmalwerter originaler Holz-Fenster sind".
Warum lehnen Denkmalpfleger Kunststoff-Fenster ab?
Mit einer der wichtigsten Leitlinien im Denkmalschutz ist die Materialgerechtigkeit, die auch in der Charta von Venedig im Jahr 1964 auf internationaler Ebene festgehalten wurde. Sie besagt, dass der Einsatz moderner Baumaterialien wie Zement oder Kunststoff bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht grundsätzlich verboten ist. Bevor die neuen Materialien jedoch zum Einsatz kommen, muss geprüft werden, ob mit traditionellem Baumaterial das gleiche Ergebnis zur Sicherung des Denkmals erzielt werden kann.
Bei Holz-Fenstern ist das ganz klar der Fall. Bewährte Beschichtungsmethoden schützen die Holzkonstruktion vor Witterungseinflüssen. Werden sie pfleglich behandelt, halten sie genauso lang, wenn nicht sogar noch länger als PVC-Fenster.
Auch in Sachen Einbruchschutz, Wärmedämmung und Schallschutz hat das altbau- oder denkmalgerechte Holz-Fenster gegenüber dem modernen Kunststoff-Fenster keine Nachteile.
Die ästhetische und haptische Wirkung eines traditionellen Holz-Fensters ist mit Kunststoffprofilen kaum zu erreichen. Details wie die Struktur einer Holzoberfläche oder klassische Zierprofilierungen kann das glatte Kunststoffmaterial nicht ersetzen.
Rein technisch kann demnach mit einem Holz-Fenster der gleiche Effekt zur Sicherung eines Denkmals erzielt werden, den auch ein Kunststoff-Fenster erfüllen würde. Bei der Optik trennt sich allerdings die Spreu vom Weizen. Hier hat das Fenster aus Holz deutliche Vorteile.
Wann sind Kunststoff-Fenster im Denkmalschutz erlaubt?
Die Firma Trocal aus Troisdorf brachte im Jahr 1954 das erste Kunststoff-Fenster auf den Markt. Der Durchbruch gelang dem neuen Fenstermaterial jedoch erst in den 1970er und 1980er Jahren. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass Denkmalschützer dem Einbau von Kunststoff-Fenstern in Gebäuden, die vor den 1950er Jahren entstanden, zustimmen.
Da aber zunehmend auch jüngere Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden, wird es nicht mehr lange dauern, bis auch die ersten Kunststoff-Fenster Schutzstatus genießen. Im Sinne der Materialgerechtigkeit dürfen diese dann natürlich nur durch neue Fenster aus gleichem Material ersetzt werden.
Ein Beispiel ist eine Hochhaussiedlung mit WBS 70 Plattenbauten in Neubrandenburg. Nach Ansicht des Landesamtes für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern sind die 15 Gebäude "ein Zeugnis der Sozialpolitik der DDR" und deshalb ein schutzwürdiges Ensemble. Während allerdings über den Denkmalschutz für dieses Gebäudeensemble noch gestritten wird, ist der erste WBS 70 Plattenbau, der zu Zeiten der DDR gebaut wurde und ebenfalls in Neubrandenburg steht, bereits ein eingetragenes Denkmal mit Kunststoff-Fenstern.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Es gibt auch Ausnahmen, wie aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, 03.11.2008 - 7 B 28/08) hervorgeht. Bei einem unter Denkmalschutz stehendem Wohn- und Geschäftshaus beantragten die Eigentümer, die vorhandenen Holz-Fenster durch neue Kunststoff-Fenster zu ersetzen. Die zuständigen Denkmalschützer genehmigten das Vorhaben nicht, wogegen die Eigentümer am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klagten und Recht bekamen.
Das Gericht argumentierte, dass die vorhandenen Holz-Fenster in keinster Weise den üblichen Original-Fenstern in Gebäuden dieser Entstehungszeit entsprächen. In den 1960er Jahren nachträglich eingebaut, seien diese vielmehr als „Fremdkörper in der Fassade“ zu bewerten. Entsprechend würden neue Kunststoff-Fenster „nicht zu einer Verunstaltung des Denkmals führen, die über den derzeitigen Zustand hinausgehe.“
Erst beraten lassen, dann bauen
Dieses Urteil ist allerdings kein Freibrief für Denkmalbesitzer. Wer ohne behördliche Genehmigung ein Baudenkmal verändert, dem drohen im schlimmsten Fall harte Strafen.
Lassen Sie sich deshalb von den Mitarbeitern Ihrer zuständigen Denkmalschutzbehörde beraten, bevor Sie mit Ihrer Baumaßnahme beginnen.
Wir vermitteln Sie kostenfrei an Fachbetriebe in Ihrer Umgebung.

Oliver Koch-Kinne
War nach seinem Studium zum Betriebswirt (VWA) im On- und Offline-Marketing verschiedener Industrieunternehmen tätig. Ist seit 2019 Leiter des Online-Marketing-Teams bei PaX und lebt selbst in einem über 300 Jahre alten Baudenkmal. Kein Wunder, dass Ihn das Thema nicht loslässt.