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Vorfenster - die optimale Ergänzung für historische Fenster

Der Bestand an historisch wertvollen bzw. unter Denkmalschutz stehenden Fenstern betrug um die Jahrtausendwende etwa 5-10 % am Gesamtfensterbestand von Gebäuden, die vor dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Positiv formuliert: Es gibt glücklicherweise noch immer einfachverglaste Fenster, die bei ehrlicher Betrachtung oftmals in erfreulich guter Qualität (oder restaurierungsfähig) sind, siehe hier, allerdings unseren heutigen Anforderungen an Wärmedämmung, Schallschutz und Einbruchhemmung nicht genügen.

Die Erkenntnis, dass zwei Dämmebenen in Bezug auf Wärmedämmung und Schallschutz besser sind als eine ist nicht neu, bereits 1695, also vor über 300 Jahren, wurden zwei hintereinander liegende Fenster im Oberen Schloss in Öpfingen bei Ulm verbaut. Eine größere Verbreitung fand das Prinzip sogenannter Doppel- oder Kastenfenster schließlich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es gibt eine Reihe von Studien und Prüfungen, die der Kastenfensterkonstruktion bis heute die besten Schalldämmwerte, messbare energetische Vorteile (Zuluftfenster) und auch einbruchhemmende Vorzüge nachweisen. Allerdings kam (und kommt) eine komplette Kastenfensterkonstruktion in aller Regel nur für gut situierte Auftraggeber infrage, zumal der Herstellungsaufwand und somit Preis mehr als doppelt so hoch ist wie bei einem einfachen Fenster (siehe hier).

Aber auch hier gibt es die positive Sichtweise: Das historische Einfachfenster ist bereits die bezahlte Hälfte des zukünftigen Kastenfensters. Die Auswahl des richtigen Vorfensters, der passenden Aufteilung und der idealen Montagelage richtet sich nach dem Wandaufbau, der Laibungssituation und durchaus auch dem individuellen Geschmack. Dieser Artikel zeigt einige Beispiele auf.

Nur auf den zweiten Blick zu erkennen: Dem wertvollen, restaurierten Barockfenster wurde in geringem Abstand ein großformatiges, ungeteiltes Isolierglasfenster vorgesetzt. Die Unterweite des Isolierglasfensters beträgt nur 40 mm, sodass sich die historischen Flügel ungestört über den Blendrahmen des Innenvorfensters öffnen lassen. Das neue Innenvorfenster ordnet sich hier komplett unter, der Blick auf das Barockfenster bleibt weitgehend ungestört. Eine Laibungsdämmung zwischen den beiden Fensterkonstruktionen ist in diesem Fall aufgrund der Einbaulage und tiefen Mauerstärke nicht nötig gewesen.

Bei nächstem Beispiel mehrteiliger Jahrhundertwendefenster bestand die Herausforderung darin, dass der Abstand zwischen unterem und oberem Flügel der geöffneten historischen Fenster mit nur 3 cm zu gering war, um ein Innenvorfenster mit Kämpfer zu setzen. Zusätzlich wäre auch der Einsatz von senkrechten Pfosten nicht möglich gewesen, diese hätten der Öffnung der äußeren Flügel im Wege gestanden. So wurden sehr großformatige, in der Höhe ungeteilte Innenvorfenster eingesetzt, die über einen doppelten Stulp verfügen. Um diese hohen Elemente gut bedienen zu können, musste ein Spezialgetriebe mit asymmetrischem, sehr tiefem Griffsitz eingebaut werden. Die Laibung zwischen dem historischen Einfachfenster und dem Isolierglas-Innenvorfenster musste nicht gedämmt werden, ein beauftragter Bauphysiker erstellte eine Wärmebrückenberechnung, die hier bei normalem Nutzungs- und Lüftungsverhalten ein unkritisches Ergebnis bestätigte.

Weitere Beispiele großformatiger Innenvorfenster finden sich im Kloster Loccum (Bilder). Hier haben die Innenvorfenster im Flurbereich Maße von ca. 140 cm x 270 cm. Da die historischen Kreuzstockfenster auswärts öffnend sind, konnten bei dieser Lösung Kämpfer für die Innenvorfenster gesetzt werden.

Ein eher ungewöhnliches Beispiel für Innenvorfenster findet sich in einem Schloss in Süddeutschland. Die historischen Fenster im Flur sitzen in einer sehr tiefen Laibungsnische. Hier wäre eine Vorfensterkonstruktion nur mit einem Unterbau möglich gewesen. Stattdessen wurden die Heizungen verlegt und großformatige Innenvorfenster im Sinne eines Schaukastens montiert. Diese Lösung ist reversibel, beschädigt die historische Einbau- und Fenstersituation nicht und stellt gleichzeitig eine relativ kostengünstige Lösung dar.

In einigen Fällen ist in der Laibung kein Platz für Innenvorfenster. Entweder würde der Blendrahmen des neuen Vorfensters das Öffnen des historischen Fensters behindern oder aber, wie bei Bild 9, die Ansicht des historischen Fensters stören. In diesem Fällen wird das Innenvorfenster auf die Laibung gesetzt. Dies kann durchaus auch offensiv, wie in Bild 10, realisiert werden. Aber auch eine sehr unauffällige Lösung ist möglich, in dem das neue Fenster mit einer Innendämmungsebene abschließt (Bild 11 bis Bild 16).

In denkmalgeschützten Sichtfachwerkgebäuden wird die Wärmedämmung in der Regel als Innenwanddämmung vorgenommen (siehe hier). Hier bietet es sich an, die Innenvorfenster in die Dämmebene zu integrieren. Innenvorfenster können in verschiedenen Rahmentiefen realisiert und somit der geplanten Dämmungstiefe angepasst werden. Gängige Maße von Vorsatzfenstern sind 45 mm, 58 mm, 68 mm, 78 mm oder 92 mm. Bei einfachverglasten Innenvorfenstern mit 45 mm Bauteiltiefe empfiehlt sich eine pyrolytische Beschichtung der Verglasung. Die Wärmedämmung einer Einfachverglasung wird mit etwa Ug6,0W/m²K angegeben, durch Einbau eines einfachverglasten Innenvorfenster mit pyrolytischer Verglasung weisen Studien einen erheblich verbesserten Ug-Wert von ca. 1,9W/m²K nach. Je nach Dämmungsaufbau können Innenvorfenster auch mit Zweifach – oder Dreifachverglasungen mit bis zu Ug 0,5W/m²K eingesetzt werden.

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Vorsatzfenster und Schallschutzverbesserung

Ein einfachverglastes Fenster mit 4 mm Verglasung erreicht im Prüfstand die Schallschutzklasse 1 (32dB RwP). Nach der VDI-Richtlinie 2719 „Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzausstattungen“ (1987-08) ist bereits in einer einfachen Wohnstraße die Schallschutzklasse 3 sinnvoll bzw. erforderlich (Bild 17). Ein Prüfbericht einer anerkannten Schall- und Wärmemessstelle bestätigt einem klassischen Kastenfenster (Stulp, außen 3 mm und innen 4 mm Verglasung, eine innere Dichtungsebene und 124 mm Glasabstand) ein Schalldämmmaß von RwP 45dB bzw. Schallschutzklasse 4.

So betrachtet ist bei fachgerechter Montage des Zusatzfensters und sorgfältiger Abdichtung aller Schallnebenwege (Fensterbank, Rollladenkasten, Laibungsfugen) die Schallschutzklasse 4 in der Regel mit einem isolierverglasten Innenvorfenster (mit asymmetrischem Scheibenaufbau) erreicht.

Beim nächsten Beispiel, einem ungewöhnlich gut erhaltenen historischen Gebäude, das an einer stark befahrenen Hauptstraße liegt, ist der bauzeitliche Fensterbestand glücklicherweise weitgehend erhalten. Die Besonderheit besteht darin, dass es sich dabei fast ausschließlich um sehr aufwendige und voll funktionstüchtige Vertikalschiebefenster – überwiegend sogar mit der bauzeitlicher Verglasung - handelt.

Nach Aussage der Eigentümer, die 2018 Innenvorfenster vor den Vertikalschiebefenstern montieren ließen, haben sich erhebliche Verbesserungen im Bereich von Schallschutz sowie der Beheizbarkeit der Räume ergeben. Als Nachteil werden gelegentlich die breiten Flügel empfunden. Allerdings wird dieser Nachteil im Verhältnis zur immensen Kosteneinsparung gegenüber eines Komplettaustausches und der Erhaltung der bemerkenswerten historischen Fenster als marginal eingestuft, das Gesamtergebnis als optimale Lösung empfunden.

Innenvorfenster und Einbruchhemmung

Ein interessanter Nebeneffekt von Innenvorfenstern – vor allem, wenn die historischen Fenster einwärts öffnend sind, ist die erhebliche Verbesserung der Einbruchhemmung. In Zusammenarbeit mit einem akkreditierten Prüfinstitut wurde untersucht, wie sich die Kombination aus einfachverglastem, historischem Fenster und dahinterliegend eingebautem, einbruchhemmendem Holzfenster bei einem standardisierten Aufbruchsversuch verhält. Das Ergebnis hatte selbst Fachleute beeindruckt. Es gelang zwar relativ einfach, die historischen Flügel mit üblichem Werkzeug aufzuhebeln (Bild 24), allerdings stellte sich den „einbrechenden“ Prüfern das Problem, dass ihnen die aufgebrochenen historischen Flügel im Weg stehen, um das innere Fenster in Angriff zu nehmen (Bild 25). Insofern mussten die Prüfer erst die historischen Flügel so weit heraustrennen, dass sie die Möglichkeit hatten, an das innere Fenster zu gelangen. Und hier kam es zur nächsten Hürde. Durch die tiefe Einbaulage des Innenvorfensters fanden die Prüfer keinen geeigneten Halt bzw. Ansatzpunkt, um mit Schraubendrehern oder Kuhfuß die entsprechende Kraft zum Aufhebeln der Flügel ausüben zu können (Bild 26). Insgesamt ist es den Prüfern bei diesem Versuch erst nach über 20 Minuten und unter Zuhilfenahme von einem Kuhfuß (Werkzeug für Einbruchhemmung nach RC3) gelungen, eine „durchstiegsfähige“ Öffnung zu erreichen.

Wintervorfenster

Eine historisch überlieferte Möglichkeit, der kalten Jahreszeit etwas „dagegenzusetzen“ sind Wintervorfenster bzw. straßenseitig in die Laibung gesetzte Fenster (Bilder 27 und 30). In der Regel wurden diese Fenster in der Heizperiode eingesetzt, in der warmen Jahreszeit wieder entfernt und in dieser Zeit im Keller, Schuppen oder dem Dachboden eingelagert. Aus Gründen der Bequemlichkeit und des Platzmangels wurden Wintervorfenster allerdings oft zur dauerhaften Einrichtung. In Bild 28 und 29 ist gut zu erkennen, dass diese schlicht gehaltenen, oft mit nur einem beweglichen, auswärts zu öffnenden Flügel, mittels einfacher Sturmhaken in den Ladenfalz verriegelt wurden und somit das Verschließen der Fensterläden erschwerte bzw. im Obergeschoß unmöglich machte. In höherwertigen und „moderneren“ Gebäuden, die bauzeitlich bereits über Holzrollläden verfügten (somit keinen Ladenfalz in der Laibung hatten), wurden Wintervorfenster überfälzt auf die Laibung gesetzt und reversibel mit Sturmhaken befestigt. Aufgrund des Abstandes zum inneren Fenster konnte der Rollladen problemlos bedient werden (Bilder 30 und 31).

Ein Beispiel für die gestalterische und technische Qualität von Wintervorfenster zeigt das Bild 32. Das Gebäude steht in unmittelbarer Nähe zu einer stark befahrenen Bahnstrecke und fiel somit in ein Förderprogramm für Schalldämmmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn. Erfreulicherweise sind hier noch weitgehend die historischen Einfachfenster vorhanden, diese größtenteils sogar mit Ausstellrollläden. Als Vorlage für die komplette Ergänzung mit Wintervorfenstern diente ein im Obergeschoß komplett erhaltenes, bauzeitliches Exemplar (Bild 33). Sämtliche Sandsteingewände des Gebäudes wurden mit Fälzungen für die Aufnahme von Vorsatzfenstern ausgeführt. Durch ein der Förderstelle und dem begleitenden Ingenieurbüro vorgelegtes Gutachten, dass die geplante Ergänzung mit Vorsatzfenster die Schallschutzklasse 4 erfüllt, wurde die Maßnahme sehr zur Freude der Denkmalpflege entsprechend realisiert. Die Blendrahmen wurden etwas breiter ausgeführt, so dass (bis auf die Balkontüren) alle Wintervorfenster einwärts zu öffnend sind. Die Montage erfolgte reversibel mit Sturmhaken, die Blendrahmen wurden umlaufend überfälzt in den Sandsteinfalz eingestellt (Bild 34).

Fazit: Vorsatzfenster sind bei richtigem Einsatz Substanz schonend und reversibel, somit gerade in der Denkmalpflege die erste Wahl. Die Verbesserung von Wärmedämmung, Schallschutz und ggf. auch der Einbruchhemmung ist erheblich und die Bauphysik bei richtiger Auswahl der Konstruktion und Einbaulage unkritisch. Nicht zuletzt sind die Kosten für ein Zusatzfenster in vielen Fällen (sofern keine zu umfangreichen Restaurierungsarbeiten an den Bestandsfenstern anstehen) im Vergleich zu einer Fenstererneuerung (Ausbau/Entsorgung, Nacharbeiten Putz innen, Laibung außen, Fensterbank) günstiger.

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Über den Autor
Ivo-Andreas Piotrowicz

Ivo-Andreas Piotrowicz

Studium FH für Technik, Akademie des Handwerks Schloß Raesfeld: staatlich geprüfter Techniker für Baudenkmalpflege und Altbauerhaltung. Seit 1994 Produkt- und Projektmanager für PaXclassic GmbH. Organisation von Fachtagungen „Fenster im Baudenkmal“, Redaktion für die gleichnamige Buchreihe und Online-Fachportal „Fenster im Baudenkmal“. Bundesweite Beratungstätigkeit für Denkmalämter, Bauherren und Architekten.